XIV mardi 21 avril 1981 dans le train à
Paris
C'est étrange, je suis parti le matin, j'ai acheté un
journal pour faire des exercices en langue française, j'essaie de lire un
roman d'Emile Ajar, mais je n’y arrive
pas - pas de concentration, trop d'images pressantes, de vagues espérances,
j'ai l'impression d'apprendre à marcher, pas à pas, tout seul, une vie nouvelle
qui cependant reprend quelques aspects de la vie d'autrefois - qui suis-je
enfin?
Il n'y a pas de centre fixe et pas de limites, tout change
à chaque instant - il y a sûrement un certain cadre, mais si le cadre change –
qu’est-ce que reste de moi? Je vais le prouver.
Qu'est-ce que j'attends de ce voyage? - Rien. Je n'ose pas dire quelque
chose précisément, je rêve, les autres
voyageurs ont un peu l'air d'aventuriers.
22./23.4.81
Das Gefühl, dass es um zehn
vor zwölf noch zu schade sei, nicht nur ins Bett, sondern überhaupt nach Hause
zu gehn, obwohl ich ja müde genug sein könnte und auch schon einige Gläschen
getrunken habe - es war doch gut, zu der Wahlversammlung der Lutte Ouvrière zu fahren (avec Arlette Laguiller). Viele und sehr verschiedene
Leute waren da, die Stimmung war aber wenig spontan - als ich in das Zelt kam,
wurde (mit Platte) auf französisch gesungen. Nachher im Café ein biederer militant im Gespräch mit einer Ausländerin
- une allemande moyen âge avec laquelle je n'ai fait que le tour de métro jusqu’à
la Place Clichy, où j'avais envie de manger enfin quelque chose - une soupe à
l'oignon sans oignons.
Und sonst - so im Ganzen? -
viele, viele Menschen: schon der Zug war überfüllt, der riesige Gare de l'Est
voll in der Weise, dass es nirgends eine freie Stelle gab. Draußen die
Boulevards voller Leute, in den Métros
immer voll - mit dem Auto sitzt man nie
so vielen fremden Leuten ständig so nahe - und was für Leute! Alle Farben, alle Alter und die
unwahrscheinlichsten Gesichter - da laufen echte Goyas rum und Daumiers,
hübsche Afrikaner neben bleichen Büroangestellten. Vom vielen Hinschauen beißen
mir die Augen und das langweilige Theaterstück in
war geradezu beruhigend - das war früher vielleicht mal progressiv.
Interessanter war die Umgebung mit den bretonischen Kneipen.
le matin, 23.4.81
Verdammt, war es die Zwiebelsuppe oder der Typ? Jedenfalls
habe ich kein Auge zugetan, bin schließlich um halb sieben raus in die Stadt,
an dem Loch vorbei, wo die mal standen, über die Ile und trinke
warmen Kakao bei - wenn man allein ist, kann man in
Situationen kommen, besonders wenn man so ängstlich ist. Steht da um halb eins auf dem Gang ein Typ
und klopft ständig an der Tür zum Nachbarzimmer und redet mit der Frau von
gegenüber (aus Nordafrika?) Und hört und
hört nicht auf - ich frage, was denn los sei.
Er sagt, er teile mit einem Menschen das Zimmer, der bis vorher sein Freund gewesen sei,
und jetzt schlafe er und mache nicht mehr auf und hin und her und er sei grad
aus der Moon(?)sekte ausgetreten und fange eine Arbeit an und könne doch nicht
auf der Straße schlafen - gut, da geb ich ihm eine Decke ab ... St Martin ....
oder: was du dem geringsten meiner Brüder und so.... und er schlief bei mir auf
dem Boden, schlief schnarchend tief - und ich nicht , weil ich mir die Sache
hin und her überlegte und zu keinem guten Ende fand.
Überall stehen die Flics rum, vor allem in der Métro, manchmal richtig
Spießrutenlaufen - da soll man nicht Angst bekommen!
Ich wollte erst ins Jeu de Paume, aber da sah ich schon von weitem eine Belagerung - das war mir zu viel;
ich brauche etwas Ruhiges, einige Bouquinisten, Kirchen auch, vor allem die
kleine hinter St. Séverin, die ist so richtig zum Ausruhn (St. Julien le
Pauvre) und vielleicht le Musée Cluny. Ich gehe also los, die Orientierung
klappt sehr gut, nur mit den Entfernungen habe ich meine Schwierigkeiten;
deshalb sitze ich hier auf halbem Weg wieder im Café.
Draußen toben die Materialschlachten des Wahlkampfs, vor allem zwischen Dash
und Persil - heute morgen waren überall Giscardklebetrupps unterwegs, eine
Stunde später lag alles wieder auf der Straße und Mitterand, etwas gerupft,
schaute wieder raus. So bekämpfen Sie die Arbeitslosigkeit - die Straßenkehrer
müssen alles wegmachen.
Die Hochhäuser rücken näher ans Zentrum, einige machen auf Wolkenkratzer,
z.B. am Gare Montparnasse; seit die Straßen heißen, gefallen
sie mir nicht mehr so gut, vor allem die geraden - und die wahnsinnig rasenden
Autos haben ja auch bei mir in den letzten Jahren an Glanz verloren - Fußgängerzonen habe ich bisher nur um St.
Séverin herum entdeckt - die Bettler haben sich unheimlich vermehrt, sitzen irgendwo
auf dem Boden, neben sich auf dem Asphalt eine Lebensgeschichte aufgeschrieben,
oder sie kommen in die Métro, fahren einige Stationen mit, immer auf der Lauer
vor Kontrolleuren - Musiker bringen Stimmung in die langen Korridore: Barock -
Folk - Country , je nachdem. Ein Gitarrist fängt in der Métro an, singt
italienische Lieder und sein Freund geht sammeln - als ich am ersten Abend
schon drei Francs los war, wurde ich etwas vorsichtiger.
Gestern hält in der Avenue du Président Wilson ein Fiat aus Napoli neben
mir, fragt, ob ich italienisch oder spanisch spreche, bittet mich in sein Auto,
um mir zwei Kleidermodelle zu schenken - ich, ängstlich wie ich bin, als ich ins Auto steigen sollte, zeige kein
Interesse - vielleicht wäre ich da endlich mal "chic" geworden.
Emile
Ajar, Gros-Câlin
Le soir (toujours jeudi) à Montparnasse dans
une crêperie bretonne - après avoir mangé une crêpe flambée Grand Marnier et bu
un cidre - ça faisait bien au coeur - et la musique.
Heute morgen waren überall Schüler, um acht latschten einige ältere
Schülerinnen rauchend, widerwillig in so'n dunkles Gebäude , auf dem Boul Mich
lief eine Grundschulklasse und im Musée Cluny wunderten sich einige
Schülergruppen, dass andere - wie ich z.B. - freiwillig hinein gingen.
Poème à une femme, qui est mon épouse
Comment décrire
un délire passé
Cet après-midi
l'état d'extrème angoisse
comblé par le film de Fellini
mais aussi
libération bonheur tendresse
infinie
Je suis sorti dans la rue
comme d'un sommeil profond
le soleil
le bruit des autos
un immense mouvement perpétuel
et - ironie de la situation -
les femmes de la rue St Denis.
Je suis marché et marché
de Sebastopol à Montmartre
comme un somnambule
toujours dans le soleil
et le mouvement permanent
dans les rues qui montent
tout droit au ciel.
Et moi
un oiseau libéré
dans ces fosses qui mènent à l'infini
ou nageur dans la mer
c'est Paris
dont j'ai tellement souffert
une heure avant
l'angoisse pesait sur mon âme
comme un nuage
un nuage de plus en plus sombre.
Dans le cinéma
crainte de devoir m'enfuir d’ici
pour toujours
mais alors
insensiblement
apparition d'une conscience nouvelle d'amour
Ta main tendre
dissipe tous ces nuages
et la confiance en toi
me donne la force de rester.
Des larmes aux yeux,
je file dans les rues
poussé par une émotion forte
un bonheur ivre
et l'espoir de trouver
de nouveaux pays -
Voilà mon poème d'amour
pour toi
pour celle, avec laquelle je vis seize années
ensemble
et que je connais pas encore partout.
<...
car rien n'est plus émouvant que l'expérience vécue et l'observation directe.
Evitez surtout toute littérature, car le sujet en vaut la peine.>
E.Ajar
Das hältst du im Kopf nicht aus - stehn an der Ecke Boulevard Montparnasse
so zehn, zwölf Typen, paar Frauen und
jazzen so vor sich hin, grad wie's ihnen passt - fünf Trompeten, fünf Posaunen,
Klarinetten, Fagötter, Schlagzeug, Bass
- zaghaft kommt auch in die Zuhörer Bewegung.
24 avril. le matin au Café du musée Rodin
Sorgen macht mir seit einiger Zeit, dass das Geld einfach
so weggeht - dabei ess ich nur sporadisch und kaufe die Platten in Geschäften
die auflösen, Bücher antiquarisch.
Rodin ist doch noch beeindruckend - Körpersprache, vor allem bei den
, aber auch sonst, am besten gefiel mir St Jean-Baptiste -
dann die Kontraste von Geformtem und Ungeformtem
Die bouquinistes hatten noch großenteils zu, ich hatte zu entscheiden: an
die Seine mich in die Sonne setzen oder mit dem Bus - das Busfahren habe ich
überhaupt erst entdeckt - an die Porte des Lilas (alte Erinnerungen) zurück
durch Belleville, das ist völlig kaputt, die Straßenzüge, die ja sonst oft noch
intakt sind (im inneren Stadtbereich), sind ständig durchbrochen, durch das
"Übliche". Das Interessante an den Straßen hier ist ja die
Geschlossenheit und zugleich die Vielfalt in der Gestaltung der einzelnen Fassaden
und vor allem die funktionale Vielfalt in vielen Straßen: Wohnen, Geschäfte,
Fußgänger, Autos.
Schade, dass ich nicht noch ein Paar Füße mitgenommen habe, denn die
rebellieren als einziger Körperteil - ich glaube, dass ich in den letzten dreieinhalb Tagen an die hundert Kilometer
gelaufen bin. Wenn ich am späten Nachmittag kurz nach Hause komme, geb ich den
armen Füßen kaltes Wasser, Crème und Massage, dass sie abends wieder mitmachen.
Komisch - als ich eben meine Beine betrachtete, waren an einigen Stellen überhaupt
keine Haare mehr - von der Hose beim Laufen abgewetzt!
25 avril, 2h du matin
Quant aux pieds, c'est maintenant fini, guéri, comme
toutes les autres parties du corps jusqu'au bout des cheveux après ce concert
Afro Reggae avec des musiciens Sénégalais dans le Centre
Culturel du Censier - seulement les sentiments de solitude sont devenus
virulents à la fin - je me suis promené encore une heure au bord de la Seine -
c'était beau.
l'après-midi à la Porte Dorée in der Nähe des Bois de Vincennes - il pleut
sur la ville, il fait froid - gut, dass
ich den Alpacapullover aus den Anden anhabe und die Baskenmütze, die ich u.a.
heute morgen am Marché aux Puces in St Ouen gekauft habe - da kann mir überhaupt
nichts mehr passieren - und wenn die Eiszeit ausbricht.
Ich war eben hier im Musée des Arts Africains et Océaniens - ein Riesenbau
von 1930, der an Ähnliches aus unguter Zeit bei uns erinnert. Neben der
Eingangshalle links der Saal, in dem der Ministre des Colonies die Abgesandten
der Kolonien empfing, rechts die "Salle du Général Lyantey", ein
Weltkriegsgeneral, wie ein Wärter (ein Afrikaner übrigens, wie die meisten in
den Museen) mir unvollständig erklärte - der hat wohl "Afrika" gegen die Deutschen
(Lettow-Vorbeck) verteidigt. Das roch stark
nach Kolonialismus, der wohl überhaupt hier noch nicht überwunden ist - die
heutigen Kolonien sind départements - interessant für mich (und viele andere)
waren die großen Aquarien im Untergeschoß.
Schließlich noch ein richtiger Straßenmarkt in der rue Mouffetard, wo ich
die ganze Zeit schon hinwollte - trotz Regen und Schnupfen steigen mir die
verschiedenen Gerüche stark in die Nase - und dann die vielen kleinen Lokale -
oje, mein Geld war nun endgültig weg - außer dem nötigsten für heute Abend;
also bescheide ich mich wieder mit einem Croque Monsieur - gut, dass ich die
Theaterkarte für heute Abend schon vor drei Tagen gekauft habe -
im Théâtre du Rond Point, dem neu eröffneten Haus der Compagnie
Renaud-Barrault. Ich bin darauf sehr gespannt, was ich so von den
Räumlichkeiten gesehen habe, ist es sehr interessant.
Le bonheur est dans la rue, souvent
spontanément - vier Saarländer standen
hilflos vor einer Metrokarte - ich half ihnen und weil sie gar so hilflos
waren, bin ich noch einen kleinen Umweg
mitgefahren und kam so am Chatelet vorbei - il y avait deux hommes avec guitare
et charango et faisaient de la musique indienne. L'un était un sudaméricain, un homme enragé -
il y avait quelques gens qui cessaient de se hâter.
26 avril, dans le train
Je m'en vais, je regarde les beaux paysages de l'Ile de
France, petites collines, champs verts et bruns, parfois des champs tout jaunes
(Raps - le colza) et des rivières vertes, avec des bateaux - je n'ai pas vu des
paysages ouverts, ni même des parcs - et je n'en avais pas envie ou besoin.
Je rentre dans le cadre habituel: Hille, André et
Susanne, la maison, le jardin, le Hemsberg, Bensheim, les amis, l'école - c'est
une forme de la vie, où beaucoup est réglé et bien connu - pas tout: il y a des
possibilités, des chemins ouverts, des richesses d'expériences, des espoirs, du
bonheur - mais il y a aussi d'autres formes de la vie, par exemple celle que je
viens d'essayer un peu cette semaine - mon coeur est trop vaste pour laisser
s'encadrer dans une seule manière de vivre - il reste du moins le rêve - ou je
n'ai pas appris à intégrer plusieurs formes de vie - je ne sais pas.
- auf unsicherem Boden
gehen
die Richtung nach
wie vor unklar
untergehen und
auftauchen
c'est ma vie
na und?