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Ἦρος ἄγγελος ἱμερόφωνος ἀήδων
Sappho 6.Jh.v.Chr. (Des Frühlings Botin mit sehnsuchtsvoller Stimme die Nachtigall)

Sonntag, 1. September 2013

Westliches militärisches Eingreifen in Syrien?



Ich wollte an dieser Stelle eigentlich einige Gedichte von mir zu lesen geben, aber die permanenten Meldungen über mögliche oder unmittelbar bevorstehende militärische Eingriffe des Westens in Syrien versetzten mich in große Unruhe – es kann doch nicht sein, dass eine westliche Großmacht schon wieder ein Desaster im vorderen Orient produziert, das viele Menschenleben kostet und dessen Ausgang noch ungewisser ist als in Ägypten, Libyen , Irak, Afghanistan. Nach all den Erfahrungen kann es doch nicht sein, dass ein politisches (und militärisches) Ziel lediglich heißen kann: Assad muss weg! ohne zu bedenken, was denn danach kommt in dem Land, in dem jetzt schon große Teile der Bevölkerung Angst um ihre Existenz haben müssen  wie z.B. die christlichen Bevölkerungsteile.
    Mit der Formulierung einer „roten Linie“, die nicht überschritten werden dürfe, nämlich der Einsatz von Giftgas, hat der US-amerikanische Präsident eine fatale Militärlogik ins Feld gesetzt, deren Brisanz von nur wenigen öffentlich ausgesprochen wird: Wenn Giftgas eingesetzt wird, wer hat es dann getan?
   Für die US-Regierung und den englischen Ministerpräsidenten, der inzwischen vom Parlament zurückgepfiffen wurde, schien das klar zu sein – Beweise stammen natürlich aus den berüchtigten Geheimdiensten und können deshalb nicht offen gelegt werden.
   Ich freute mich deshalb, auf dieses Interview des Darmstädter Echo mit Günter Meyer, Professor an der Gutenberg-Universität in Mainz, gestoßen zu sein, das ich hiermit auch anderen zu lesen empfehle:

Wer steckt hinter dem Giftgas-Einsatz in Syrien?

Aus dem Newsletter Echo online vom 30.8.13
Nahost-Experte Günter Meyer vermutet, dass nicht Soldaten Assads, sondern Dschihadisten für den Massenmord der vergangenen Woche verantwortlich sind
Spurensuche in Syrien: Die Giftgas-Experten der UNO bei ihrer schwierigen Arbeit.
Einige hundert, möglicherweise sogar mehr als tausend Menschen sind vergangene Woche bei einem Giftgas-Angriff in Vororten der syrischen Hauptstadt Damaskus um Leben gekommen. Die US-Regierung beschuldigt das Assad-Regime der Täterschaft. Doch Nahost-Experte Günter Meyer warnt: Es könnte sich um eine Inszenierung der Rebellen handeln.
ECHO: Herr Meyer, sind Sie ein Fan von Verschwörungstheorien?
Günter Meyer: Nein.
ECHO: Ihre Vorstellung, die Rebellen könnten hinter dem Giftgas-Einsatz vom 21. August stecken, klingt wie eine.
Meyer: Was wir im Augenblick in Syrien erleben, ähnelt der Situation vor dem Einmarsch der Amerikaner in Irak 2003. Es werden Beweise fabriziert, um Präsident Barack Obama eine Rechtfertigung zu liefern, die ihm eine Intervention in Syrien ermöglicht.
ECHO: Sie glauben nicht, dass das Regime von Baschar al-Assad hinter dem Giftgas-Einsatz steckt?
Meyer: Bei jedem Verbrechen muss man sich fragen: Wer hat den Nutzen davon? Das Assad-Regime ist an allen Fronten auf dem Vormarsch. Es hat große militärische Erfolge zu verzeichnen mit konventionellen Waffen. Die Aufständischen sind überall auf dem Rückzug. Das heißt, in dieser Situation einen Massenmord mit Chemiewaffen zu inszenieren – noch dazu, wenn gerade die Beobachterkommission der Vereinten Nationen parat steht in einer Entfernung von wenigen Kilometern –, das kann absolut nicht im Interesse des Regimes sein. Es weiß genau, wenn es Chemiewaffen einsetzt, dann ist Obamas „rote Linie“ überschritten. Wenn die USA ihre Glaubwürdigkeit als weltpolitische Ordnungsmacht nicht verlieren wollen, haben sie keine andere Wahl, als ihren Worten Taten folgen zu lassen und deshalb militärisch zu intervenieren. Eine solche Provokation der größten Militärmacht der Welt kann nicht in Assads Interesse sein.
ECHO: Aber warum hat Syrien die Inspektoren der UNO dann nicht gleich an den Tatort gelassen?
Meyer: Die UNO-Kommission ist nicht im Lande, um festzustellen, wer Chemiewaffen eingesetzt hat, sondern nur, ob diese eingesetzt wurden. Und das ist ja mittlerweile unstrittig. Von daher bringt das Ganze überhaupt nichts. Hinzu kommt, dass Sicherheitszusagen für die Mitglieder der UNO-Kommission außerordentlich problematisch sind. Ein Teil der Kommission wurde beschossen, und auch hier geben sich beide Seiten jeweils die Schuld.
ECHO: Ihrer Meinung nach haben nur die Rebellen ein Interesse an dem Giftgas-Einsatz.
Meyer: Der erste große Angriff mit Chemiewaffen und 29 Toten hat am 19. März stattgefunden in Khan al-Assal nahe Aleppo. In diesem Ort leben nur Schiiten, die mehrheitlich aufseiten des Regimes stehen. Der Ort wurde kontrolliert von der syrischen Regierung. Unter den Toten sind etliche Soldaten. Es macht aus Sicht der Regierung nicht den geringsten Sinn, dort Chemiewaffen einzusetzen. Es ist deshalb offensichtlich, dass nur sunnitische Dschihadisten die Angreifer gewesen sein können.
ECHO: Was sind dafür Ihre Quellen?
Meyer: Der britische „Guardian“ hat zum Beispiel recherchiert, dass die Rakete auf Khan al-Assal aus einem Ort nahe der türkischen Grenze abgefeuert wurde. Dieser ist unter der Kontrolle der islamistischen Al-Nusra-Front, also der Dschihadisten.
ECHO: Warum wurde dieser Anschlag damals nicht von den Vereinten Nationen untersucht?
Meyer: Die syrische Regierung hatte die UNO dazu aufgefordert, schnellstmöglich Beobachter zu schicken. Es waren die USA, England und Frankreich, die in der UNO durchgesetzt haben, dass nicht einfach eine Kommission nach Syrien geschickt wurde. Stattdessen hat man unerfüllbare Forderungen an das Regime gestellt – etwa den Zugang zu allen Landesteilen. Das hätte aus Sicht von Assad also nicht mehr nur die Untersuchung des Vorfalls bedeutet, sondern quasi Spionagetätigkeiten.
ECHO: Das syrische Militär besitzt aber doch Chemiewaffen.
Meyer: Das hat Baschar al-Assad nie abgestritten. Sie dienen nach seiner Darstellung zur Abwehr eines israelischen Angriffs. Diese chemischen Kampfstoffe werden bewacht von alawitischen Elitetruppen. Es kann ausgeschlossen werden, dass Chemiewaffen aus diesen Beständen eingesetzt wurden. Dagegen haben wenige Wochen später türkische Polizisten eine Gruppe von syrischen Dschihadisten verhaftet, die einen Behälter mit dem Giftgas Sarin bei sich hatte.
ECHO: Sie gehen davon aus, dass die Rebellen die Logistik für einen Giftgas-Angriff haben?
Meyer: Ja. Dafür braucht man nur ein paar Dutzend Leute, und die erforderliche Ausrüstung kann problemlos ins Land gebracht werden. Es gab bereits wenige Wochen, nachdem Obama seine „rote Linie“ gezogen hat, Berichte in arabischen Medien, dass ein Giftgas-Einsatz von Saudi-Arabien geplant wird, um ihn der syrischen Regierung in die Schuhe zu schieben. Und es gibt weitere Medienberichte vom Januar über die Planung eines von Katar zu finanzierenden Giftgas-Einsatzes, für den ebenfalls das Assad-Regime verantwortlich gemacht werden sollte. Das sind alles keine klaren Belege und könnte durchaus als Verschwörungstheorie abgetan werden – es zeigt aber, dass über eine solche Inszenierung schon lange diskutiert wird.
ECHO: Wer also steckt hinter dem Giftgas vom 21. August?
Meyer: Wir reden hier nicht von Mitgliedern der Freien Syrischen Armee, sondern von Dschihadisten, die im Ausland für solche Einsätze ausgebildet wurden – möglicherweise in Saudi-Arabien oder Katar. Sie nehmen einige tausend Tote in Kauf, um dadurch den Kriegsverlauf entscheidend zu ändern und das Regime zu stürzen.