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Ἦρος ἄγγελος ἱμερόφωνος ἀήδων
Sappho 6.Jh.v.Chr. (Des Frühlings Botin mit sehnsuchtsvoller Stimme die Nachtigall)

Firenze - Venezia diario VI


                                               14.
Stein - das ist es, das Bestimmende hier. Auch die Formen, die Rundbogen, die Rechtecke mit den stumpfwinkligen Dreiecken scheinen aus dem Stein geboren und nur darin möglich zu sein. Das empfindet man z.B. in der <Nuova sacristia> von Michelangelo in der Architektur natürlich, oder am Campanile von Giotto, un torre di marmore. Was heißt das: Stein?

... O wie werdet ihr dann, Nächte,
mir lieb sein / gehärmte.
Daß ich euch knieender nicht, untröstliche Schwestern / hinnahm, nicht in euer gelöstes / Haar mich gelöster ergab. Wir Vergeuder der Schmerzen.                                      Rilke
                                              
Unschädlich, wie vom Lichte die Blume
so leben gern vom schönen Bilde
träumend und selig und arm die Dichter
                                               Hölderlin

                                              




                                               18.IX
Michelangelo, Abbozzo di un Prigione

Ist an ihm nur die Kraft
sich entringen dem Stein
und ist in ihm alles gerafft
im Muskel - ohne Gebein.

Ist denn so tödlich der Stein
leistet doch er
Sinn dir und unteres Sein.
                                              
                                               19.IX
Am Ufer des Arno, vor den Uffizien habe ich jeden Abend den Mond gegenüber und eine Zypresse allein und herrlich, zwischen und über den Häusern.
                                              
Auch wenn er täglich steigt
ihr kann er nicht entfliehn
ins Einzeln - immer zeigt
ihr ganzes Sein auf ihn

Auf der anderen Seite.,
zwischen den Flügeln der Uffizien,
der Turm der Signoria
Leicht auf der flachen Hand
ein Tanz und ist doch Stein
                                              
                                               Siena,22.IX
      Diese Stadt
In den blauen Grund
als wär es nichts
schnitten sie den Graben
scharf begrenzt
ohne Überschwang
in sich Maß und Kraft und Licht
gingen sie bis zum Äußersten
ohne Angst
dort halten sie brüsk
ohne Überhebung

Das war ihr Stolz, ihr Triumph
aufzuragen in diesem Zeichen
von der Sohle des Tals
über die Hügel
weithin sichtbar

                                                 abends im Zug
Auf der Heimfahrt giorgioneske Farben am Himmel. Der Horizont, wenn er nah ist, dunkelgrün, wenn fern, dunkel blau, immer stark verdunkelt gegen den Himmel, der am Rande rot bis braun verglüht, nur in den Senken sichtbar; die höheren Linien des Horizont schneiden unvermittelt in die milchblaue Schicht, darüber wieder in Rosa gehend. Alle Farben gedämpft.
Im Weitergang werden die Farben schwerer, wuchtiger, unter dem Horizont ist nichts erkennbar, auf seiner Linie stehen die Bäume deutlich wie Schriftzeichen. Allmählich schwinden die Kontraste und der Horizont verschwimmt in den ganz hintergründig verglühten Farben, die an die Landschaft der Venus erinnern (Venere con l'Amorino, Tizian, Uffizien).
Dann kommt die endgültige Nacht, das reine Dunkel des Himmels und das warme Dunkel des Landes.

                                                 23.IX
Heute Nacht ein Traum, eine Szenenfolge, die mit steigendem Blut in die Tiefe wuchs. Es war Sylvia, mit der ich ein kurzes Gemeinsames habe, ob abgeschlossen oder nicht, ein kleines aber rund gearbeitetes Stück Menschliches, an das ich gern zurückdenke.
Sie kam heute Nacht wieder von der ganz <negativen> Seite näher, immer näher, bis sie endlich mir so nahe war, so voll Kraft und Wille, mir nahe zu sein, dass es mich jetzt noch ganz ausfüllt: diese Umarmung. Aber ...

                                                 Convento S. Marco

Ich glaube, wenn man in diesen Zellen mit den Fresken des Fra Angelico wohnte, müsste man immer froh sein, glücklich und ohne Sünde. Auch in der Kreuzigung (Nr.4) ist nur die <leichte> Liebe, nicht das Leid, der Schmerz.
In den Zellen von Savanarola - was hat sich hier wohl alles ereignet - ist kein Angelico, konnte keiner sein.
                                              
                                               25.IX
            Belvedere

Die Burg der schönen Sicht genannt
die leichte Fläche über den schroffen
Mauern nur noch dem Himmel offen -
unten fällt und zieht das Land

die Bäume härtere Nebelballen
verstreut und hohe Zypressen locken
über die Gärten klar metallen
verzittern leicht die Schläge der Glocken

verführen dich Wege zwischen Mauern
die selten ein Gipfel überzieht
dann nur an eine Böschung zu kauern
manchmal und folgen dem ehernen Lied.


Sei du, Gesang, mein freundlich Asyl! sei du
Beglückender! mit sorgender Liebe mir
  Gepflegt, du Garten, wo ich, wandelnd
    Unter den Blüten, den immerjungen,
In sichrer Einfalt wohne, wenn draußen uns
Mit ihren Wellen allen die mächtige Zeit,
  Die Wandelbare, fern rauscht, und die
    Stillere Sonne mein Wirken fördert.
                                                 Hölderlin

                                               SS. Annunziata, 24.IX
Allein das Er-leben ist doch Auszeichnung, Sinn und Wert. Das Eintreten des griechischen Torsos oder der Karyatide vorhin war doch ein wirkliches Ereignis für -mein- Leben. Es ist kein Wesensunterschied zwischen meinem und dem der andern, nur ein gradueller. Die Bilder, der Tag, das Licht - alles wirkt intensiver, allerdings nur zeitweise, manchmal fällt alles restlos ab. Dass man aber manchmal so vollkommen einverstanden, überglücklich und voll Lust zu allem ist, muss auch in der Leere bewusst bleiben und helfen. Zu dem Erleben kommt dann noch die Kenntnis des Wortes als Arbeit

                                               25.IX
In der Casa Buonarroti, Ausstellung von Zeichnungen Michelangelos

Wenn ich versuchte zu zeichnen, war es, als sei auf dem Blatt schon vorher ein fest umrissener Gegenstand, den ich mehr oder weniger glücklich nachzeichne. Hier aber erschafft die Linie den Gegenstand. Sie mag nicht genau, nicht exakt sein, aber sie gibt, wie sie da ist, eine Bewegung, einen Schwung, der unmittelbar -Leben- hervorruft.

<Das eben, Lieber! ist das Traurige, daß unser Geist so gerne die Gestalt des irren Herzens annimmt, so gerne die vorüberfliehende Trauer festhält, daß der Gedanke, der die Schmerzen heilen sollte, selber krank wird, daß der Gärtner an den Rosensträuchern, die er pflanzen sollte, sich die Hand so oft aufreißt, o! das hat manchen zum  Toren gemacht vor andern, die er sonst, wie ein Orpheus hätte beherrscht, das ist die Klippe für die Lieblinge des Himmels, daß ihre Liebe mächtig ist und zart, wie ihr Geist, daß ihres Herzens Wogen stärker oft und schneller sich regen, wie der Trident, womit der Meergott sie beherrscht, und darum, mein Lieber! überhebe ja sich keiner.                                                        Hölderlin, Hyperion

                Zypressen
Besser wenn sie einzeln stehen
frei im Flachland oder am Hang
oder mächtiger am Übergang
eines geraden Hügels zu sehen

jedenfalls vor einem reinen
einem selbstlosen Hintergrund
wo immer waagrecht erscheinen
alle Töne und ohne Mund

Unten einsetzt schon die Melodie
glatt durch eine Hand gegossen
steht dann weich und doch geschlossen
stärkstes Blau nur schlägt durch sie

so senkrecht wie ein Rufen schlank
steigt sie durch die Horizontale
Maß und Halt dem blauen Tale
ist sie Krug und Mund dem Trank.


Signora Olga,
grande fumatore,
bella, tuttavia, bella per le sue
fatiche, sopra tutto il marciatore(?)
via Cavour quaranta due
questa cartolina con tutto il mi amore.
                               Postkarte an die Wirtin in Florenz

                                               29.IX
Michelangelo, Prigione, Atlas

Über die Not hinaus
die letzte Verteidigung
ein kleines Stück Kraft
in den Hüften
stemmt die Last
ein wenig doch noch
über sich hinaus
ein wenig
dass nur die Richtung
die Gestalt
bleibt, aufrecht

                                                
......... nicht daß ich seyn sollt etwas, sondern zu lernen.

                                               San Lorenzo, 30.IX
Mein Gott, das hat eingeschlagen - ich bin noch ganz erschöpft. Zehn Minuten ganz allein in der Kapelle Michelangelos. Ich war früh hingegangen und wartete, dass man aufmachte, da kamen schon zwei Busse Schaulustiger mit ihren Führern und ich wollte schon gehen. Aber ich drängte mich vor, überholte alle, lief fast und stand dann allein in dem mächtig - reinen Raum. Das ist eingegangen: die seltsam unbequeme Haltung der Nacht, jetzt war sie ganz selbstverständlich: das in sich Geschlossensein. im ganzen Körper und die beiden geschlossenen Dreiecke, die der Arm mit dem aufgestützten, oder herangezogenen Kopf und dem scharf angewinkelten Bein bildet. Dem gegenüber das ruhige, bequeme Ausladen der Aurora. Das ist eingegangen, stark, für immer (ich bin glücklich)
Tizians späte Venus, wuchtig (Tintoretto) und weich in einem, unfassbar, der Hintergrund, einige unruhige Konturen, nichts Festes wie bei Giorgione (prova di Mose) aber überall am Himmel in der Landschaft ein hintergründiges Glühen, in den Zweigen des Baumes, materialisiert in dem schweren Vorhang, von da über den Körper und die Decken gestreut, dann die dunklen Tiere um sie, die Eule am Fensterbrett ganz in die Nacht, der Hand auf dem Bett zu ihren Füßen und unter dem Tisch mit der Blumenvase ein katzenartiges Gesicht - es ist alles ungeheuer, ich kann mich kaum trennen.
                                               Endlich bereit für den einzigen Leonardo, jede einzelne Form abgreifen, die zerrissenen Konturen, wie sie aus dem Dunkel auftauchen, hier ein Gesicht, dort eine Hand, ein Pferdekopf, irgendeine nervige Linie, als hätte er durcheinander Studien auf die Fläche gemacht, wie er es so oft auf Skizzenblättern tat, aber alles ein-tönig durch die magische Farbe und durch das unruhige, aufgeregte, aufgewühlte, das überall ist, auf den Gesichtern, den Pferden, dem Kampf und den Linien im Hintergrund, selbst das einzig Feste, die Ruine im Hintergrund hinein genommen, der zerbrochene Bogen und die Schärfe der Treppenstufen in der allgemeinen Bewegung, Erregung. In der Mitte, das zurück weichende bildet einen dunkeln Kreis, die kleine zierliche Frau mit dem Kind.
                                               Zuletzt dann auf dem Fort Belvedere, wo ich so oft den <tramonto> erlebte. Unter mir der Giardino di Boboli, dahinter auf einem Hügel eine Burg, ein Gutshof mit einem wunderbaren Turm und Pinien, in denen die Sonne hängen bleibt. Der Hügelzug läuft nach Süden aus, dahinter läuft ein höherer entgegen und als Abschluss ein größerer Höhenzug, auf dem eine lange Reihe Pinien hinzieht, vielleicht ein Weg - ich wäre so gerne dort hin gewandert - im Süden gegenüber der Piazzale Michelangelo mit San Miniato al Monte, dahinter oder weiter gegen Osten, den Arno hinauf, ferne Berge; im Osten dann wieder näher kommend ein höherer Gebirgszug, davor die Hügelkette mit Fiesole - man kann deutlich San Francesco erkennen. Gegen Norden steigen die Berge sehr hoch und verlaufen dann in den immer dunstigen Nordwesten. Zwischen den Bergen liegt ganz eben die Stadt.

                                               Venedig, 2.X.64
In der Galleria dell Accademia - Ich bin durch alle Säle gelaufen, blind, um den Einen zu finden, der mich hierher zog, Giorgione, La Tempestà. Nachdem man sich an das kleine Format und an das böse Glas gewöhnt hat, spricht er wunderbar deutlich. Die Anordnung, links der Mann, überbaut von einem Gebäude, das nur wenig von Gebüsch umrahmt ist, neben ihm ein Sockel mit zwei Säulenstümpfen, fest und aufrecht; auf der Gegenseite, die Frau in einem Aufwand von Gebüsch und Baum, in dem sich Häuser verstecken, eine Straße, die in den Hintergrund führt, ihn befestigt, davor schon die zarte Brücke. Das Licht, das über dem Hintergrund liegt, das <magische> Licht des Blitzes, ist unsagbar, auf den Blättern, auf der Brücke, auf den Türmen. Es ist keine Bedrohung zu fürchten, eher Hingabe, unendlich fein gebogen wie in der stillenden Frau.

                                               3.X.
Tiziano, Pietà - Die schwere Diagonale, die von links nach rechts fällt, in den Figuren, legt sich unbedingt in die Hand, schmerzend. Dann noch die Wucht der Mauern und der Wölbung, nicht materiell schwer, aber für das Auge erdrückend.
Chiesa del Redentore - Mit der Kraft, mit der Übung, die ich in Florenz erworben habe, allmählich bin ich ein Stück weit eingedrungen, aber zu dicht ist alles und zu viel. Ich muss wieder neu anfangen, mit Einzelnem.



                                               Sonntag, 4.X
Wenn nichts, ohne Ausnahme nichts mehr dem Strom sich entgegenstellt, nur ganz am Rand höchstens ein dünnes Wissen von dem Irrtum dieser Hingabe, dann doch unnachgiebig zu bleiben, trotz allem, warten und allmählich wieder eindämmen: das Geschlecht.
                                              
                                               5.X
Tintoretto, Madonna dei Tesorieri, Accademia. Starke Bewegung von rechts nach links, eben wie die des Meeres, die Wellen der zwei mal drei Männer, die auf die linke Gruppe mit Maria zustreben, die erhöht, durch die vier Treppenstufen hochgespült, der andrängenden Strömung der Verehrung entgegensteht, sich entgegen neigt, Liebe, vorne von den beiden parallelen Gestalten gestützt, hinten von dem <Ufer>, der linke Bildrahmen, an dem der Martyrer gefesselt ist, ist wirklich der Halt des Bildraumes, allerdings schon der anderen Bewegung bis über die Mitte entgegen getrieben durch die drei Säulenreihen, die den Strom der Personen und der gleich gerichteten der Wolken schneiden.

La Madonna appare a S.Girolamo - Da ist auch wieder der Bogen in der Gestalt der Frau, in ihrer Geste. Ihre Bedeutung wird mir immer bewusster, fragloser. Der Zusammenhang, zuerst nur geahnt bei Rembrandt, zwischen dieser Linie und der <Lust>

Ich fürchte mich immer vor den kolossalen Ausmaßen seiner Bilder, Tintoretto, besonders wenn sie gehäuft sind wie im Palazzo Ducale. Ausnahmen machen die Crocifissione in der Scuola di S.Rocco und L'Ultima Cena in S.Giorgio Maggiore. Sie sind voll und ganz wirksam, einleuchtend.


                                               6.X
Museo Archeologico, Rilievo votivo ad Ares ed Aphrodite.
Hier wieder der schöne Vorgang, schon vor langem empfunden, damals bei Rebekka. Der Mann bittet die Frau um einen Trank. Sie gießt ihm die hingehaltene Schale voll, beugt dabei den Körper in einem sanften Bogen zu ihm, der ganz gerade aufrecht steht, in Vorderansicht, während sie sich zu ihm hindreht ein wenig. Dann diese unendlich  zarte  Gebärde des linken Armes, die sich auf vielen Stelen findet, das Aufheben des Schleiers, der über den Kopf die Schultern, den Rücken fällt, in einer ruhigen Linie, und wieder nach vorne und oben zu dem erhobenen Arm zurückkehrt. Aber diese Haltung des Armes: der Unterarm ein wenig nach vorne gegeben, während die Hand, die den Schleier hält, wieder zurückfällt, so dass sich dem Gegenüber ein ungemein <innerer> Bogen entgegenwölbt, Abwehr und zugleich ein Sich-Öffnen - die Bewegung lüftet ja den Schleier - Hingabe, dasselbe wie in der Wendung und dem Vorbeugen  des Körpers und in dem Hinreichen des Tranks

S.Maria nell'Orto  -  Tintoretto, Presentazione della Vergine. Zwischen den andern ungeheuer großen Gestalten steht sie, klein und zierlich, Maria, aber aufrecht, frei ihr bescheidenes Stück  in den Himmel hinein, neben und unter ihr der Priester mit zwei zur Seite, und in der dunklen Mauer schiebt sich die Menge, die Neugier, das Erstaunen, die Treppe empor, im Dunkel, um sie.

                                               7.X
Accademia. Veronese, L'Annunciazione - Seine Liebe zu Gebautem, besonders zur Säule ist auffallend. Ob sie noch als mittelalterliches Symbol der Madonna gilt? Ich weiß nicht. Sie wirkt nicht etwa wie bei Tizian (Pesaro-Madonna) monumental, sie ist ruhig, beruhigend, wie überhaupt das ganze Bauliche, das auf diesem Bild, schon von Florenz her bekannt, in dem ganzen Raum verteilt ist, das wohnliche Dekor des Bodens, der Bau des Mittel- und Hintergrunds, in die überall ein Stück sanfter Natur, Parknatur eindringt. Das alles ist zwischen dem Geschehen, es ist ganz darin eingebaut und nimmt ihm Heftigkeit, das Temperament des Engels. Es ist die Umgebung der Jungfrau. Sie ist wunderbar darin.

Giorgione, sein Format ist klein, man darf nicht eben von einem Tintoretto herkommen, aber es ist bei ihm keine Fläche, die nicht bis ins einzelne durchgearbeitet  wäre, die einzelnen Blätter und die unendliche Vielfalt der Töne des Lichts und der Farben.

Grafica Tedesca del Tempo di Duerer. Esposizione nel Museo Correr - Muss ich hierher kommen, um Dürer zu lernen, seine Graphik. Allein schon das kleine Format ist ja immer faszinierend, und hier ist, wie eben auch bei dem Giorgione die Fläche, die kleine Fläche durchgearbeitet. Vor mir sind die drei berühmten: S. Girolamo nello studio, Il cavaliere, la morte e il diavolo, und die <Melencolia>, meine liebe alte Bekannte. Ich darf es sagen <liebe>, es geht etwas Warmes durch diese Bilder, schon von der Technik her, ich weiß nicht, wie es kommt.

Pieter Breughel, L'Adorazione dei Magi. - Wie wunderbar, auch ihn hier zu finden.

Bellarmin! ich hatt' es nie so ganz erfahren jenes alte feste Schicksalswort, dass eine neue Seligkeit dem Herzen aufgeht, wenn es aushält und die Mitternacht das Grauens durchduldet ... Hölderlin. Hyperion
Den Mond erwarte ich wie einen gelben Brief. Es ist schändlich, nicht vertrauter mit ihm zu sein, dass ich wüsste, wo er ist, und wann er wieder scheint. Jetzt suche ich ihn.
                                               8.X
Chiesa S.Maria dei Frari - Hier bei der Pesaro-Madonna die Diagonale der Figuren in umgekehrter Richtung als bei der späten Pietà, aufsteigend, und ebenso die kolossalen Säulen, aufsteigend, mit dem Blick des Knienden  links, aber die Spitze der Pyramide neigt sich ihm entgegen, die liebevolle Neigung des Kopfes der Madonna, ebenso die Blickrichtung das Heiligen mit dem Buch, Auf der anderen Seite fällt der Blick des Kindes auf den Mönch, der mit dem Arm zu dem knienden Menschen überleitet.

Aus Worten ein Gedicht zu machen, eines zu wählen, ein anderes anzusetzen, einige andere aus dem Umkreis hinzu bringen, auch neue, die einen weiteren Bezug einfügen können, und diese Wörter setzen und verschieben, bis sie richtig sind - wäre das nicht eine Kunst? Man müsste dazu ein Wort durch alle Bereiche hindurch empfinden, es durch und durch kennen.


 Siena (Palazzo Publico)

als wär es nichts, ein Spiel
so leicht dahin gesetzt,
und ist doch Stein und viel
Gewalt in ihn gemetzt

am Rand  nicht nötig mehr
nur ihrem Willen ragt
der Turm  dem Willen der
nach Ebenmaß nicht fragt

nur aus dem tiefsten Grund
des Tals hinauf zu ragen
über die Ränder und
ein Stück  ins Blau zu tragen
                                               9.X
Museo Correr. P.Brueghel, Adorazione dei Magi. Der Winter - wie sich alles schließt, das monotone Weiß, noch schwerer das Grau, Grau-Schwarz des Himmels, die kahlen Bäume, die Baumstümpfe, der eingefrorene Stamm, dann die Häuser, innen voll Wärme, das spürt man, entsetzlich aber die Ruine rechts, eine Kirche, der Schnee auf den Mauerresten und im Innern - mag es symbolisch sein, die bloße Darstellung wirkt genug - die Menschen treibt die Neugier herbei, nur einzelne, die frierend hin und herlaufen, um die Ankunft der Fremdlinge zu sehen - die hier ja wirklich Fremdlinge sind!! - der Zug zum warmen kleinen Stall im linken Vordergrund. Aber unvergesslich der Winter, wie er ihn gemacht hat.


Wie das gut ist: ich trete aus der Biblioteca Marciana auf den Platz und der Palazzo kommt mir, ich weiß nicht wie, so seltsam vor. Dann aber, indem ich in die Höhe sehe, finde ich den Himmel tief blau und das trübe stürmische Wetter am Horizont in einer schweren Wolkenbank verschwindend; und der Wind, so stark wie das Blau des Himmels, fasst mich, wenn ich zum Ufer gehe, und da, welch neue Freude: über Santa Maria della Salute steht scharf und silbern die schmale Sichel des Mondes - früh also und weit im Westen, am Abendhimmel und Du weißt, Isolde, an was sie mich erinnert, ja und zu allem noch Dein Brief, Du, Dein lieber lieber Brief.

                                               10.X
Palazzo Ducale - Veronese, immer das frische Blau der Frühe am Himmel, das alles durchstrahlt, die Kleider und das Fleisch der Körper (Raub der Europa). Es ist dasselbe starke Blau, das man draußen sieht, unter dem die blendende Weiße des Reichtums von S. Marco liegt und der herrliche Marmor des Campanile.
Es ist sonst unerträglich in diesen Sälen hier. Der eine kleine Raum ausgenommen (Sala del Anticollegio) J.Bassano und besonders der Tintoretto, Bacchus und Ariadne.

              An die Parzen
Nur einen Sommer gönnt, ihr Gewaltigen
Und einen Herbst zu reifem Gesange mir,
Daß williger mein Herz, vom süßen
Spiele gesättiget, dann mir sterbe.

Die Seele, der im Leben ihr göttlich Recht
Nicht ward, sie ruht auch drunten im Orkus nicht;
Doch ist mir einst das Heilge, das am
Herzen mir liegt, das Gedicht gelungen,

Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt!
Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel
Mich nicht hinabgeleitet; einmal
Lebt ich, wie Götter, und mehr bedarfs nicht.
                                               Hölderlin

Ca Pesaro - Bürger von Calais - die geben doch ein Stück Leben, bei den meisten noch ein gutes, weites Stück, auf; wofür? - Nun, der Grund ist bekannt, aber hilft hier wirklich ein Grund, was er auch sei? Hier vermag nur die Kraft, die bloße, die blinde Kraft des Willens etwas.

                                               12.X
Santa Maria della Salute - Das früher <lieb> gewordene Thema, Isaacs Opferung. Bei Rembrandt war der Titel richtig, der große Leib im Vordergrund, im hellsten Licht. Hier bei Tizian müsste im Titel von Abraham die Rede sein, Isaac und der Engel sind winzig gegen ihn, der sich wuchtig in der Mitte aufbaut, der Körper zurück gebogen, durch den nach oben gewandten  Kopf und die S-Linie der Arme, der linke nach unten gebogen, Isaac haltend, der rechte nach oben, das mächtige Schwert ausholend. Der kleine Engel würde es nie durch seine Hand aufhalten können. Er legt nur die Finger an die Schneide und wird so durch seine überredende Geste die ungeheure Bewegung des Abraham zurücknehmen

                                               13.X
Palma il Vecchio, Sacra Conversazione - Es müsste einem doch <in die Augen gesprungen sein>, dass dieses Gesicht, diese Augen der Frau vor der Madonna, nur von ihm sein können, am unendlich weiten Unterschied zu dem Gesicht der Madonna, das ihm gegenüber glanzlos, tot erscheint. Es liegt über dem ganzen Gesicht: die Wangen, die Lippen, diese lebendigsten, und dann vor allem diese Augen, mit ihrem Glanz. es ist nur - wenn man hinsieht - ein weißer Punkt in dem Dunkel der Pupille - aber er muss richtig gesetzt sein. An diesem einzelnen Gesicht kann ich lernen, ein Gesicht zu sehen, was mir immer schwer fällt, besonders bei Portraits.

                                              14.X Museo archeologico
An Giorgione muss ich denken, wenn ich diese weiblichen Figuren des 5. Jh. anschaue, ich glaube, er ist diesen viel viel näher als Tizian oder Michelangelo. Diese Korai oder Göttinnen stehen so vorsichtig, so sanft und liebevoll da, das eine ein wenig angewinkelte Bein, der Fuß etwas seitwärts, nur leicht aufgesetzt, dann die kleine Ausbuchtung der Hüfte und die unendlich zarte Modellierung der freien Arme, es gibt da keine Gewalt, keinen Zwang, keine Ekstase. Sie stehen ganz einfach da, ohne etwas zu wollen und wenn etwa ein Arm mit einer Geste erhalten ist, geht er heraus wie ein leise hin gesprochenes Wort. Kann man bei all dem nicht an die <Giuditta> an die <Madonna da Castelfranco>, an die Frau in der <Tempestà> denken?
Das heitere Hin und Her, oder das ruhige Fallen des Gewandes, durch das der Körper sich heimlich andeutet oder frei hervortritt, die schönen Füße, das vorgestellte Bein, auch noch ein Teil der Hüfte zu ahnen, dann die ganz leise,  aber doch eindringlich redenden Brüste, dann noch die klar und bescheiden aus der Schulter fließenden Arme: das ist doch eigentlich das, an das ich mich ganz, ohne Furcht und Rest, hingeben kann, das Streicheln der Hände, die Linie der Schultern, das lange, ruhige Berühren mit den Lippen. Das ist doch eigentlich das Starke und das Glücklichste, die <gestaute Lust>, nicht die gewaltigen stürmischen Gebärden und die <Sinnlichkeit> Tizians und anderer.
Hier spüre ich, wie ich gut und glücklich werden kann.

                                               abends              
 Warum sind wir manchmal so über überglücklich? und warum manchmal so überaus elend? Es ist so schrecklich schön, Mensch zu sein.
     Zuerst das Meer, das ferne Gebirge, mächtig einbrechend. Dann die böse Lust, ganz nach innen stoßend. Aber dann die Heimfahrt unter dem Mond - Deinem, immer Deinem Mond, wo die ganze Lust in Glück sich wandelt.
                                               15.X
Man sieht, wie die Malerei  um 1700 sich bemüht, Neues zu bringen, unbedingt, und sie treiben die Erfahrungen des Cinquecento auf die Spitze, die Bewegung des Tintoretto, und vor allem die Behandlung der Farben unter der Wirkung des Lichts. Sie kommen dadurch auf impressionistische Methoden, in der Landschaft und im Figurenbild. Das Körperliche verschwindet, es bleibt nur die Farbe, die vom Licht über die Linien hinweg zerstreut wird, die irgendwie in die Farbfläche eingelegten <Konturen deuten nur noch die Bewegung die zerrissene, zerstürmte expressionistische Gebärde an. Ich denke vor allem an einige kleinere Bilder des G.B.Tiepolo (Glorificazione della Croce, Gloria di S.Domenico) aber auch viele andere, mir sonst unbekannte, G.B.Pittani,+1767, <Maddalena>, man denkt an Kokoschka, Seb. Ricci u.a. Fr.Guardi, Michele Marieschi (Cézanne)

J. Bassano, S.Girolamo e Madonna in Gloria - Die Armut, die Nacktheit dieses Menschen ist eindringlich, gekrümmt in der öden oder wilden Landschaft der Totenkopf, zwei Bücher, ein Kreuz und Schreibzeug um ihn.
Denkst Du, wenn Du den Mond
siehst am heimatlichen Rhein
dort - wir waren so lange gewohnt,
ihn zu halten gemein-
sam in der einen freien Hand

Denkst Du auch jetzt noch an mich?
Hab ich doch damals erkannt,
jetzt auch und immer, nicht wahr,
seine Form, wie sie Dir glich
und all Dein Zauber mir war.

Er sei uns, bitte, das Band:
                                               17.X
Seltsam, wie ein plötzlicher Entschluss, besonders aber eine plötzliche Abreise, die Kräfte weckt, indem man einiges, was sich vor die Sonne zu drängen beginnt, mit einem Stoß beiseite wirft. Dann fühlt man sich so in unmittelbarem Licht, so frei und so stark, allein. Nicht als ob mich das Ziel freuen könnte, ich habe eher Angst, so früh schon zurückzufahren, höchstens ein  wenig Neugier drängt mich, aber allein das Abreisen ist immer etwas Starkes und Gutes, das Bewusstsein, etwas Schönes verlassen zu können, das durch ein wenig tristesse gesteigerte Lebensgefühl. Seltsam ist auch, wie in solchen Stunden - der Anlass der Steigerung ist ja beliebig - alles, aber auch alles möglich wird.

                                               18.X
Man muss die Gebärden der dargestellten Menschen, wie etwa die des Täufers von Tizian, selbst darstellen, mit dem eigenen Körper, dann versteht man sie, die Gebärden wirken von außen nach innen.


Ich möchte es mir einprägen, jedes Detail, jede Farbnuance, jede leise Bewegung der Linien, um es immer wieder aufrufen zu können, reiner und wirklicher als alle Reproduktionen.

Wie die beiden Seiten, in sich verschieden, innig verzahnt sind, wie die Farben ineinander übergehen, ohne Härte, überall, und die Berührung - wie ein leichter Kuss - des Lichtes.

Jetzt weiß ich bestimmt, dass ich abfahren muss, weil - gerade weil alles so schön ist, so wirksam, die Bilder und die Stadt unter dem starkblauen Himmel.

Hier in der Scuola di S.Rocco finde ich so viele von den Gesichtern, den Köpfen, wie sie mich in Florenz beeindruckt haben (Christus und die Samariterin am Jakobsbrunnen), diese Gesichter mit den braunen Baritonstimmen.
Hier ist es die Maria Egiziaca, von der ich zuletzt weggehe: Sie geht wie der Giorgione, wie die kleinen Korai des 5.Jh. am meisten in meinen Bezirk.
Unwiderstehlich - man muss dorthin, wo die mächtigen Orgeltöne herkommen und wo man die beiden Tizian weiß. Das ist überwältigend, beides in einem, die Orgel und die hoch stürmende Madonna über dem Altar.

Mich wundert, dass Er noch nie gekommen ist, Puccini, vor allem in Florenz hätte er doch da sein müssen; dort war doch eine Landschaft wie die, in der ich ihn immer sehe, einige seiner Themen. Erst in den letzten Tagen kam mir eine Tonlinie, von der ich aber nicht wusste und fragte, woher. Heute fiel mir ein: aus Tosca. Es musste doch hier sein. Das akzentuierte Aufsteigen auf den höchsten Punkt, manchmal eine Fermata, dann der Absturz in ein Breites, wie eine Brandung.
                                               Castelfranco, 19.X
Schön hier. Ich habe einen Baum gesehen, wunderbar gelb, von Blau durchsetzt, dann das Castello, die roten Mauern ganz in reichliches Grün gekleidet, dann der Dom, so klar und dann - ja dann der Giorgione, die Madonna in einer Kapelle abseits, wo ich allein mit ihm bin, während draußen die Messe gelesen wird. Wunderbar belichtet, habe selten so gut ein Bild sehen können: Über ihn kann ich nichts sagen jetzt, nur alles abgreifen und wirken lassen.

Wie das schlicht ist. Der Boden, die beiden Heiligen, in der Mitte der hohe Aufbau des Throns, der sie über die Rampe hinaushebt, und dabei ist sie so demütig ernst und einfach, unvergesslich dieses Gesicht. Sie ist ganz in der Landschaft, ihrer Landschaft, ebenso einfach und voll Liebe, ihr schönes rotes Gewand fällt über den Thron hinaus und ist unmittelbar in Berührung mit ihr.

Das begleitet mich nun den ganzen Tag, die klaren Linien des Gebirges, von keiner Dunstschicht getrübt, sauber vom tiefen Blau abgegrenzt. Dann die Modellierung der Felsen und darüber die sanfte Bewegung der Schatten, auf manchen Spitzen das seidige Weiß des Schnees. Jetzt am späten Nachmittag, wenn die Sonne hinter die Berge geht, wird der Kontrast des Schattens zum Himmel stärker und das Licht verdichtet sich, besonders wenn es in eine Schlucht fällt.