Inhalt:
Einleitung – Bedeutung für Bensheim
Die historischen Ereignisse 1944-1945
Krieg und Besetzung Griechenlands 1941 Die „Razzia von Kokkiniá“ 17.8.1944
Der Transport nach Deutschland in Viehwaggons
„Die Baracke” in Auerbach
Exkurs: Die Firma Heymann
Der Tagesablauf
Die Arbeit
Die Ernährung
Behandlung von Kranken
Willkürakte von Wachmännern
Aussonderung der „Kranken“ im Dezember 1944
Tote
Die Bevölkerung
Befreiung
Rückkehr nach Griechenland
Die Gegenwart
Wider das Vergessen – die Projektgruppe
Die Besuche in Bensheim
Was bleibt für die Zukunft?
Anhang
1. Mark Spoerer: Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz,
2. Die Gefangenen an die Deutschen
Literatur
Abkürzungen
Quellen und Zitierweise
Abbildungen
Einleitung – Bedeutung für Bensheim
“Der nationalsozialistische Ausländereinsatz zwischen 1939 und 1945 stellt den größten Fall der massenhaften, zwangsweisen Verwendung von ausländischen Arbeitskräften in der Geschichte seit dem Ende der Sklaverei im 19. Jahrhundert dar. Im August 1944 waren auf dem Gebiet des »Großdeutschen Reichs« 8 Mio. ausländische Zivilarbeiter und Kriegsgefangene als im Arbeitseinsatz beschäftigt gemeldet; hinzu kamen etwa 500.000 überwiegend ausländische KZ-Häftlinge. Somit waren zu diesem Zeitpunkt knapp 30% aller in der gesamten Wirtschaft des Reiches beschäftigten Arbeiter und Angestellten Ausländer, die man größtenteils zwangsweise zum Arbeitseinsatz ins Reich gebracht hatte.“[1]
Grabstätte außerhalb des Auerbacher Friedhofs |
Die Geschichte der etwa 130 Griechen, die von September 1944 bis Ende März 1945 in Bensheim-Auerbach als Zwangsrbeiter im Rüstungsbetrieb Heymann eingesetzt wurden, ist für die Geschichte Bensheims in zweierlei Hinsicht bedeutend. Sie tritt einerseits unübersehbar in Erscheinung im Grabmal von 22 Menschen am Auerbacher Bergfriedhof. „Am“ Friedhof heißt: außerhalb der nördlichen Friedhofsmauer, in Richtung nach Hochstädten.
Dieses Grabmal war 1987, Jahrzehnte nach den schrecklichen Ereignissen, der Anstoß für die Wiederentdeckung von Vorgängen zwischen Auerbach und Hochstädten, die so offenkundig waren, dass viele Bürger sie mehr oder weniger lebendig im Bewusstsein hatten und haben; nur wenige jedoch waren bereit, in den letzten Jahren etwas von ihren Beobachtungen und Erlebnissen zu erzählen. Ihnen möchte ich hier schon allgemein für ihre Unterstützung danken.
Im Frühjahr 1987 stoßen griechische Jugendliche aus Darmstadt bei einer Rallye mit der Aufgabenstellung „Wie viele Griechen sind auf dem Auerbacher Friedhof begraben?“ an der nördlichen Außenmauer des Auerbacher Bergfriedhofs auf diesen Grabstein, der tatsächlich auch griechische Namen trägt. Auf die Nachforschungen der Griechischen Gemeinde Darmstadt antwortet die Stadtverwaltung Bensheim mit folgender Auskunft - völlig falsch, wie sich zeigen wird:
„Am Friedhof in Bensheim-Auerbach befindet sich eine Grabstätte, in der 22 Fremdarbeiter beigesetzt wurden. Sie waren während des Krieges in der Munitionsfabrik Link im Hochstädter Tal beschäftigt und sollen bei einem Unglück in der Munitionsfabrik ums Leben gekommen sein. Es ist nur bekannt, dass die Grabstätte auf Betreiben der amerikanischen Militärregierung von den Geistlichen beider Konfessionen im Jahre 1947 eingeweiht wurde. Eine Umbettung auf den Friedhof in Bensheim-Auerbach erfolgte nicht. Auf dem Grabstein sind die folgenden Vor- und Familiennamen eingemeißelt. Ob darunter auch griechische Landsleute sind, können wir nicht mitteilen.“[2]
Die Namen, die auch auf dem Grabstein zu sehen sind, sind folgende:
Stergies, Kalleicis Boguslaw Ciesielski
Theodores Saweidas Alex M. Szamokine
Trifon Georgoglu Victor Msyichowski
Josef Chapera Luzian Dawiko
Franz Samartorkane Franziscek Diasek
Leon Duflot Ignatz Stys
Nikolaos Prentas Adam Mamusiwitsch
Stanislaus Cyarskit Wlodzmierz Lipowski
Und 6 Unbekannte
Als 1991 zum ersten Mal zwei überlebende Zwangsarbeiter vor dem Grabstein standen, äußerten sie sich spontan zu zweien von den Namen, Theodoros Saweidas und Trifonas Georgoglu, die später auch in den Interviews vorkommen:
„Der zweite Name gehörte jenem Mann, der in der Baracke neben ihm geschlafen habe, erklärte der Grieche, und der dritte, fügte er ergänzend zu, sei Schuster gewesen, habe im gleichen Stadtteil von Athen wie er gelebt und sei ein schöner, großer, stattlicher Mann gewesen. Dies sei ihm allerdings zum Verhängnis geworden, denn der Wachmann sei wohl sehr neidisch auf ihn gewesen und habe ihn täglich grundlos aus reiner Schikane geschlagen. Vor Angst habe er schließlich nachts nicht mehr schlafen können und sei dann, da er ständig hart arbeiten mußte und ohnehin schon vor Hunger völlig entkräftet war, bald an Schwäche gestorben.“ [3]
In dem oben zitierten Schreiben der Stadt Bensheim vom 20.8.1987 sind die Informationen in Bezug auf den Ort und die Ursache des Todes unzutreffend. Den tatsächlichen Sachverhalt gibt ein zusammen-fassender Bericht der Zentralstelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg vom 27.4.1970 sehr genau wieder. Dieser wurde erstellt im Zusammenhang eines Wiederaufnahmeverfahrens gegen Paul Heinz, der im Rüstungsbetrieb von Dr. Hans Heymann als Wachmann beschäftigt war.[4] Aus diesem Dokument möchte ich einen längeren Abschnitt hier zitieren, weil er den ganzen Sachverhalt, um den es uns hier geht, sehr präzise umreißt, vor allem genau unterscheidet zwischen dem KZ-Nebenlager von Natzweiler-Struthof/Elsass, das sich als eine Baracke hinter dem Marmoritwerk befand, und der Baracke der griechischen Zwangsarbeiter, der früheren Markthalle in der Nähe des Bahnhofs Bensheim-Auerbach. Letzteres wird Thema dieser Arbeit sein; auf Ersteres wird nur eingegangen, wenn es der Zusammenhang erfordert. Es wäre wünschenswert, wenn auch dieses KZ-Außenlager wirklich erforscht würde. Beide Lager sind dem Rüstungsbetrieb von Heymann untergeordnet, allerdings in ganz verschiedener Funktion, wie wir sehen werden.
[8] Für die allgemeine historische Darstellung des Phänomens der Zwangsarbeit im 3. Reich sei auf die Literaturliste und den Anhang verwiesen.
In dem oben zitierten Schreiben der Stadt Bensheim vom 20.8.1987 sind die Informationen in Bezug auf den Ort und die Ursache des Todes unzutreffend. Den tatsächlichen Sachverhalt gibt ein zusammen-fassender Bericht der Zentralstelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg vom 27.4.1970 sehr genau wieder. Dieser wurde erstellt im Zusammenhang eines Wiederaufnahmeverfahrens gegen Paul Heinz, der im Rüstungsbetrieb von Dr. Hans Heymann als Wachmann beschäftigt war.[4] Aus diesem Dokument möchte ich einen längeren Abschnitt hier zitieren, weil er den ganzen Sachverhalt, um den es uns hier geht, sehr präzise umreißt, vor allem genau unterscheidet zwischen dem KZ-Nebenlager von Natzweiler-Struthof/Elsass, das sich als eine Baracke hinter dem Marmoritwerk befand, und der Baracke der griechischen Zwangsarbeiter, der früheren Markthalle in der Nähe des Bahnhofs Bensheim-Auerbach. Letzteres wird Thema dieser Arbeit sein; auf Ersteres wird nur eingegangen, wenn es der Zusammenhang erfordert. Es wäre wünschenswert, wenn auch dieses KZ-Außenlager wirklich erforscht würde. Beide Lager sind dem Rüstungsbetrieb von Heymann untergeordnet, allerdings in ganz verschiedener Funktion, wie wir sehen werden.
„1.) Das Nebenlager Bensheim-Auerbach des KL Natzweiler wurde zunächst als ‚Arbeitslager Darmstadt’ im August 1944 in Darmstadt errichtet. Die Häftlinge, etwa 35 - 40 Mann, davon 12 aus Sachsenhausen und etwa 25 aus Natzweiler, waren im Amtsgerichtsgefängnis in Darmstadt untergebracht. Es handelte sich in der Hauptsache um Franzosen, Tschechen, Jugoslawen, Polen und Russen. Der Lagerälteste war ein deutscher Häftling namens Hans Bonn, geb. am 15.10.1901 in Köln, wohnhaft in Augsburg, Austr.23. Die Häftlinge arbeiteten bei der Fa. Dr. Ing. Heymann, Darmstadt.
Bei dem Luftangriff auf Darmstadt am 11./12.9.1944 wurden die Fabrikgebäude der Fa. Heymann zerstört. Die Firma wurde darauf nach Hochstädten bei Bensheim-Auerbach verlegt. Dort wurde sie in einer stillgelegten Grube der Fa. Marmoritwerk L i n c k, Bensheim-Auerbach/Hochstädten, untergebracht.
Das Häftlingskommando wurde zum überwiegenden Teil ebenfalls nach Bensheim-Auerbach verlegt. Ein kleinerer Teil blieb jedoch in Darmstadt und wurde dort zur Trümmerbeseitigung eingesetzt. Ein weiterer Teil arbeitete in Griesheim in einem kleinen Rüstungswerk, das ebenfalls zu der Fa. Heymann gehörte. Der überwiegende Teil der Häftlinge wurde jedoch in Bensheim-Auerbach/Hochstädten eingesetzt. Hier waren die Häftlinge im Stollen der Fa. Heymann mit Arbeiten an Maschinen und Bauarbeiten, z.T. auch mit Zeichenarbeiten beschäftigt. Einige Häftlinge arbeiteten auch im Wald oder erstellten Baracken. Untergebracht war das Häftlingskommando in der gleichen Baracke wie die Wachmannschaft. Das Essen wurde aus einer Gemeinschaftsküche der Fa. Heymann bezogen. Eine ärztliche Betreuung durch einen besonderen Lagerarzt erfolgte offenbar nicht. Lagerführer des Arbeitslagers Bensheim-Auerbach war ein SS-Unterscharführer Ewald Franzen. Franzen soll aus Berlin gestammt haben und zuvor bei der Luftwaffe gewesen sein. Er konnte nicht ermittelt werden. Die Wachmannschaft setzte sich aus etwa 7 – 12 Posten zusammen.
Im Arbeitslager Bensheim-Auerbach des KL Natzweiler sind in der Zeit bis Kriegsende ausweislich des Sterbebuchs des Standesamts Bensheim 15 Häftlinge verstorben. Fälle vorsätzlicher Tötungen konnten nicht festgestellt werden, auch keiner der vernommenen Zeugen hat solche bekundet.
Das Lager wurde Ende März/Anfang April 1944 nach Dachau evakuiert.
2.) In Bensheim-Auerbach bestand ein weiteres Lager, das nicht dem KL Natzweiler/Elsass unterstellt war. Es handelte sich um ein Lager von etwa 129 griechischen Zwangsarbeitern, die in der früheren Obst- oder Markthalle in Auerbach untergebracht waren. Das Lager war von dem Arbeitslager Bensheim-Auerbach des KL Natzweiler räumlich und organisatorisch völlig getrennt.
Die Griechen wurden ebenfalls zu Arbeiten bei der Fa. Heymann eingesetzt und von Angehörigen dieser Firma bewacht. Die hygienischen Zustände sowie die Verpflegung sollen in dem Griechenlager sehr schlecht gewesen sein. Einige der Zwangsarbeiter sind während ihrer Zeit in Auerbach verstorben. Ihr Tod ist im Sterbebuch des Standesamts Bensheim beurkundet.
Ein Grieche brach im Dezember 1944 in ein Haus in Bensheim-Auerbach ein und wurde dabei von den Hausbewohnern erschossen.[5] Ein weiterer Grieche soll von dem Wachmann Paul Heinz, aus Lorsch erschossen worden sein, angeblich, weil er versucht hatte, zu fliehen. Nach Meinung eines Zeugen allerdings soll er getötet worden sein, weil er aus Hunger einige verfaulte Äpfel an sich genommen hatte.
Die Griechen wurden kurz vor Einrücken der alliierten Truppen in die Nähe von Reichenbach bei Bensheim transportiert. Dort sind sie wahrscheinlich freigelassen worden.
gez. Schreitmüller, Staatsanwalt, übersandt mit der Bitte um Übernahme und Weiterbehandlung des Verfahrens in dortiger Zuständigkeit, soweit es Ziff.2.) des obigen Vermerks betrifft. Ludwigsburg, den 27.April 1970“
1987, als die griechische Jugendgruppe auf das Grabmal an der Auerbacher Friedhofsmauer stieß, waren genauere Einzelheiten über das Schicksal der Griechen nicht zu erhalten; auch weitere Nachforschungen der Griechischen Gemeinde Darmstadt blieben zunächst erfolglos.
Dass es nicht dabei blieb, ist der zweite Punkt, der die Geschichte der griechischen Zwangsarbeiter für Bensheim so bedeutend werden ließ: Die Wiederentdeckung und Vergegenwärtigung der Geschichte. Im Rahmen des Projekts „Zwangsarbeit in Südhessen“ beschäftigte sich 1989 im Auftrag des Zentrums für Erwachsenenbildung bei der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) eine Arbeitsgruppe aus Darmstadt und Bensheim mit der Geschichte der griechischen Zwangsarbeiter. Ergebnis dieser Arbeit war nicht nur die Erforschung der Firmengeschichte des Rüstungsbetriebs Heymann, für den die Griechen arbeiten mussten, sondern aufgrund persönlicher Kontakte gelang es auch, in Athen noch lebende Griechen zu finden, die 1944 nach Auerbach als Zwangsarbeiter verschleppt worden waren. Über die Einzelheiten dieser Entdeckung berichtet Nikos Maniatis, der, nachdem er 20 Jahre lang in Südhessen gelebt und auch bei der EKHN als Sozialberater für griechische Gastarbeiter gearbeitet hatte, wieder nach Athen zurückgekehrt war[6]:
„Im Mai 1990 rief mich eine frühere Kollegin aus Deutschland an (Sozialberaterin in den Sozialdiensten für griechische Arbeiter) und bat mich, überlebende Gefangene zu suchen, die während der Naziherrschaft Zwangsarbeit leisteten in Auerbach in Südhessen. In dem Brief, den ich bald darauf erhielt, informierte mich die Arbeitsgruppe (Programm ‚Zwangsarbeit in Südhessen’ der Arbeitsstelle für Erwachsenenbildung der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau), dass 1944 etwa 130 Griechen Zwangsarbeit in Auerbach machten. Sie fragten mich, ob ich Überlebende suchen könnte und Informationen durch Interviews sammeln könnte. Ich schrieb an die athenischen Zeitungen, welche tatsächlich meinen Brief auf den ersten Seiten veröffentlichten. Einige Tage später erhielt ich, nach einem Telefongespräch, Besuch von zwei ehemaligen Gefangenen, welche mir versicherten, dass sie in dem so genannten ‚Lager’ (in Anführungszeichen, weil es sich nicht um ein Lager handelte) der Zwangsarbeit waren. Sie verhielten sich sehr zurückhaltend und misstrauisch. Ich erzählte ihnen, dass ich 20 Jahre in Deutschland gearbeitet habe, die letzten 6 Jahre als Sozialberater für die Griechen im Raum Frankfurt-Mainz-Worms, und dass zwei meiner Kollegen, eine Griechin und ein Deutscher, in Zusammenarbeit mit der Griechischen Gemeinde Darmstadt und einer Arbeitsgruppe aus Bensheim-Auerbach, die Existenz des ‚Lagers’ entdeckt haben und Informationen benötigten und alles, was bei der Erforschung helfen könnte. Und die beiden lehnten es ab, mir Informationen zu geben – der eine führte unbestimmte Ängste an, und der andere behauptete, dass sein Sohn in einer Bank arbeite und dass er deshalb nicht sprechen könne (die Wahrheit war, wie ich einige Monate später feststellte, dass er in einer deutschen privaten Firma arbeitete). Nach dem Kontakt mit der Arbeitsgruppe wurde ich gebeten, ein Treffen der beiden mit meiner früheren griechischen Kollegin Dina Trifonopoulou in einem Hotel zu arrangieren, um ein Interview aufzunehmen.“
Aufgrund dieses Interviews, das am 6.11.1990 in einem Athener Hotel stattfand, und mithilfe einiger Archivdokumente war es der Arbeitsgruppe möglich, eine erste Darstellung der Geschichte der griechischen Zwangsarbeiter zu veröffentlichen[7] und eine Ausstellung im Bensheimer Rathaus zu organisieren. 1992 erfolgte dann die erste offizielle Einladung der Stadt Bensheim an die überlebenden ehemaligen Zwangsarbeiter. Vom 12. bis 18. 10. 1992 kamen mit Herrn Maniatis als Organisator und Übersetzer 9 ehemalige Zwangsarbeiter, teilweise mit ihren Ehefrauen oder anderen Familienmitgliedern, insgesamt 18 Personen, die im Haus am Maiberg in Heppenheim untergebracht waren.
In ihrer Anwesenheit wurde am Sonntag, dem 13.9., im Foyer des Bensheimer Rathauses die Ausstellung „Zwangsarbeit in Südhessen“ eröffnet.
Am folgenden Tag fand dann der denkwürdige Besuch im Marmoritwerk in Auerbach statt und die Übergabe der Gedenktafel an der Grab- und Gedenkstätte an der Nordmauer des Auerbacher Bergfriedhofs. Außer einer Begegnung mit einer Schulklasse am AKG und einem Diskussionsabend im Konferenzraum des „Dalberger Hofs“ wurden bei diesem Aufenthalt von Peter Kalb und Hille Krämer, den Teilnehmern der Projektgruppe, mit fast allen Griechen Interviews geführt, in denen die verschiedenen Stationen des Leidenswegs der Zwangsarbeiter sehr anschaulich werden.
Ergänzt wurden diese Kenntnisse noch durch viele Gespräche bei den weiteren fünf Besuchen der Griechen hier in Bensheim, die bis 2003 stattfanden, und bei mehreren Aufenthalten meinerseits in Athen.
2005 hatte ich auch Gelegenheit, mit drei von den ehemaligen Zwangsarbeitern sowie Herrn Maniatis und seinem Sohn den Platz „Osias Xenis“ in Kokkiniá, heute Níkaia, zu besuchen, an dem am 17.August 1944 die Razzia stattfand, bei der u.a. auch die jungen Männer gefangen genommen wurden, die dann nach Auerbach abkommandiert wurden. Geórgios Maniatis, der Sohn von Nikos, führte 2004 für seine Seminararbeit an der Athener Universität mit dem Titel „Zeugnisse und Erinnerung Griechischer Zwangsarbeiter in Bensheim-Auerbach, Deutschland 1944-1945“ noch Interviews mit zwei der noch lebenden Zwangsarbeiter; seine interessante Arbeit enthielt auch noch weitere Dokumente.
Um all diese Dokumente nicht nur für das Archiv zu sammeln, sondern sie der interessierten Öffentlichkeit leichter zugänglich zu machen, soll die Geschichte der griechischen Zwangsarbeiter als Ganzes hier dargestellt werden, hauptsächlich unter Verwendung der originalen Interviews, sowie von Zeitungsartikeln und Archiv-dokumenten. Gerade in der subjektiven Darstellung der Ereignisse aus dem Mund der unmittelbar Beteiligten und auch aus der authentischen Diktion der Archiv- und Zeitungsdokumente ergibt sich ein buntes, lebensnahes Bild der Ereignisse, das sich beim Lesen als Nachempfindung der menschlichen Erfahrungen dieser schrecklichen Zeit im Leser niederschlägt. Der Bezug auf die allgemeinen geschichtlichen Verhältnisse und die Strukturen, in denen sich ein solches Schicksal der Betroffenen entwickeln konnte, werden damit indirekt angedeutet, aber nicht in den Vordergrund gestellt.[8]
[1] Ulrich Herbert: Der »Ausländereinsatz« in der deutschen Kriegswirtschaft 1939-1945 In: R. Spanjer u.a. (Hrsg.), Zur Arbeit gezwungen. Zwangsarbeit in Deutschland 1940 – 1945, Bremen 1999, S.13-21
[2] Schreiben der Stadt Bensheim an die Griechische Gemeinde Darmstadt-Dieburg vom 20.8.1987
[3] BA, 22.6.91 Eine „Brücke der Versöhnung" an einem Ort schrecklicher
Ereignisse, s.u. S. 90 im Abschnitt „Tote“
Ereignisse, s.u. S. 90 im Abschnitt „Tote“
[4] HStAD H13Darmstadt 1121, Bl.2-4 (IV 419AR1436/68)
[5] Es handelt sich hier um Michael Rotas; seine Ermordung wurde noch vor Kriegsende am 14.3.45 gerichtlich verfolgt, was sehr erstaunlich ist. Erstaunlich und empörend ist jedoch, dass sich der Bericht auf die bereits 1945 widerlegte Schutzbehauptung, Rotas sei in ein Haus eingebrochen, bezieht. Er wurde, ebenso wie der im Bensheimer Krankenhaus verstorbene Nikolaos Georgiadis auf dem Friedhof Bensheim-Mitte beerdigt.
[6] Erklärung von Nikos Maniatis in der Seminararbeit von Geórgios Maniatis, Arbeit S. 1
[7] Auerbacher Projektgruppe: „Denn was wir erlitten haben, das war jede Minute“. Griechische Zwangsarbeiter in einem Rüstungsbetrieb am Ende des Zweiten Weltkriegs. In: Dorn / Heuer (Hrsg.):„ Ich war immer gut zu meiner Russin“, Pfaffenweiler 1991